Das Hydrogel-Sportgetränk der schwedischen Firma Maurten ist in aller Munde. Sprichwörtlich. Irgendwie scheint es, als würde Jeder, der etwas auf sich hält und seine Leistungen in Wettkampf und Training steigern oder zumindest aufrecht erhalten will, zu Maurten greifen. Eliud Kipchoge tut es. Jan Frodeno tut es. Immer mehr ambitionierte Hobbysportler tun es. Schließlich ist es so viel besser, als andere Sportgetränke, oder? Oder?
Ich stieß diese Tage auf einen sehr interessanten Artikel von Alex Hutchinson von Outside. Darin beschreibt er, wie Wissenschaftler das Getränk und sein Werbeversprechen nun genauer unter die Lupe genommen haben. Denn bislang fehlt jeglicher Beleg, dass Maurten sich in irgendeiner Form von anderen Sportgetränken unterscheidet. Ist es also alles nur eine geschickte Marketingkampagne? Die Ergebnisse der Untersuchungen habe ich hier zusammengefasst.
Hydrogel als Geheimwaffe?
Doch worum geht es eigentlich? Maurtens behauptet, dass zwei Hauptbestandteile des Getränks, Pektin und Natriumalginat, mit der Magensäure reagieren und ein Hydrogel bilden. Dieses Gel umschließt die im Getränk enthaltenen Kohlenhydrate. Dadurch werden sie für die Sensoren im Darm „unsichtbar“. Normalerweise geschieht vereinfacht ausgedrückt nämlich Folgendes: Nimmt ein Athlet unter Belastung, also beispielsweise während eines Wettkampfs, eine bestimmte Menge an Kohlenhydraten zu sich, kommt es aufgrund der geringeren Produktion von Magensäure und der eingeschränkten Darmtätigkeit – denn diese benötigen Energie und der Körper braucht aber alle verfügbare Energie für den Wettkampf – häufig zu Magen-Darm-Beschwerden. Die gelüberzogenen Kohlenhydrate hingegen gelangen ohne Beschwerden auszulösen in den Darm, wo sich das Hydrogel erneut verflüssigt und die Kohlenhydrate absorbiert werden können. Theoretisch bedeutet das, dass im Vergleich zu einem normalen Getränk durch Maurten dem Körper mehr Energie zugeführt werden kann, ohne Magen-Darm-Problem hervorzurufen.
Die Realität
Das hört sich fantastisch an! Aber woher wissen wir, was wirklich in unserem Körper passiert? Genau das durchleuchteten nun verschiedene Forscher:
1. Maurten verlässt den Magen schneller
Forscher der Universitäten von Kapstadt, Stirling und Brighton stellten fest, dass Maurten schneller aus dem Magen entleert wurde, als ein vergleichbares Getränk ohne die Hydrogel-Inhaltsstoffe. Die Hälfte des eingenommenen Getränks verließ nach 21,2 Minuten im Vergleich zu 36,3 Minuten den Magen. Das lässt vermuten, dass Athleten sich weniger aufgebläht fühlen und mit dem schneller verarbeiteten Hydrogel-Getränk weniger Magenverstimmung haben dürften.
Eine rasche Verdauung ist zwar schön und gut, aber für Athleten wahrscheinlich nicht unbedingt der Hauptgrund, sich für ein Sportgetränk zu entscheiden. Also welche weiteren Ergebnisse gibt es?
2. Maurten führt ebenso zu Magen-Darm-Problemen wie ein Placebo-Getränk
Ein Team um Alan McCubbin von der Monash Universität in Australien führte ein Experiment mit neun männlichen Läufern durch. Man ließ sie drei Stunden lang konstant laufen, gefolgt von einem ungefähr zwölf Minuten dauernden, progressiv beschleunigten Lauf bis zur Erschöpfung. Die Probanden führten diesen Test zweimal durch, einmal mit Maurten und einmal mit einem Kontrollgetränk, das dieselben Aromen und Inhaltsstoffe (insbesondere die beiden Kohlenhydrate Maltodextrin und Fructose) in denselben Verhältnissen enthielt, mit Ausnahme der Hydrogel-Inhaltsstoffe Pektin und Natriumalginat.
Die Ergebnisse: Es gab keine feststellbaren Unterschiede zwischen den beiden Tests. Jeder Läufer hatte zumindest leichte Symptome des Magen-Darm-Trakts. Ein Läufer hatte schwere Symptome mit Maurten (das heißt, sie wurden auf einer Zehn-Punkte-Skala mit mindestens fünf bewertet), während zwei Läufer schwere Symptome mit dem Kontrollgetränk hatten.
Der dreistündige Lauf fand jedoch nur bei 60 Prozent der VO2max statt und war somit nicht besonders anstrengend. Deshalb untersuchte ein Forscherteam des Virginia Military Instituts, der Elon Universität und der James Madison Universität, ob größere Intensitäten zu Magen-Darm-Problemen führen.
3. Kohlenhydrate-Mischungen wie in Maurten ohne nennenswerten Vorteil
Dieses Mal wurde das Experiment mit neun Rennradfahrern durchgeführt, wieder alle männlich. Nach einer fünfminütigen Aufwärmphase und 55 Minuten in moderatem Tempo (bei 50 Prozent der VO2max) folgten zwei Sätze mit vier Zwei-Minuten-Intervallen mit zwei Minuten Pause zwischen den Intervallen und fünf Minuten Pause zwischen den Sätzen. Anschließend fuhren die Probanden fünf Minuten in gemäßigtem Tempo und schließlich zehn Sprints von jeweils zwei bis drei Minuten und jeweils fünf bis sechs Minuten locker zwischen den Sprints.
Auch hier konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Maurten und den Kontrollgetränken festgestellt werden.
In diesem Test wurden zwei verschiedene Kontrollgetränke verwendet: eines enthielt Maltodextrin und Fruktose, genau wie Maurten. Das andere enthielt nur Maltodextrin. Frühere Untersuchungen ergaben, dass Kohlenhydrate besser vom Körper aufgenommen werden können, wenn es sich um zwei verschiedene Arten handelt. Aber dieser Test erwies außerdem, dass Kohlenhydrate-Mischungen keinen nennenswerten Vorteil haben.
Fazit
Ob Radfahren oder Laufen, gleichmäßiges Tempo oder Intervalle, geringes oder hohes Trinkvolumen – das Hydrogel in Maurten hat keinen offensichtlichen Vorteil. Einfach ausgedrückt: Maurten enthält auch nur Zucker.
Andererseits war die Anzahl der Probanden klein und die Experimente fanden unter Laborbedingungen statt. Reale Wettkampfbedingungen sehen anders aus. In einem Wettkampf läuft oder fährt man verschiedene Geschwindigkeiten. Die Nerven spielen ebenso eine große Rolle bei den Magenproblemen, die Ausdauerathleten häufig erleben.
Maurten reduziert laut dieser Studien die Magen-Darm-Probleme nicht. Doch Läufer, Radfahrer und Triathleten kennen ihren Körper sehr gut. Und Hochleistungssportler wie Eliud Kipchoge und Jan Frodeno können sich nicht irren, oder?
Oder sind wir am Ende eben doch nur Menschen und daher empfänglich für Werbeversprechen? Es bedarf wahrscheinlich noch weitere Untersuchungen und Daten, bevor ein wirklich objektives Resultat Antworten darauf liefern kann.
Foto: Gustavo Fring auf Pexels